„Sie sind fast nackt, zielen mit ihren Speeren auf uns und töten vor unseren Augen ein panisch quiekendes Schwein. Bei den Dani braucht man starke Nerven.“ So könnte man einen sensationshungrigen Bericht über das traditionelle Schweinefest im Baliem Valley beginnen. Wie wir das Fest wirklich erlebt haben und ob wir uns dabei als typische Ethnotouristen gefühlt haben, erzählen wir im dritten und letzten Teil unserer Papua-Serie.
Inhaltsverzeichnis
Die Hintergründe
In traditionellen Schweinefesten lebt der papuanische Stamm der Dani seine archaischen Rituale. Früher ein Fest zur Streitschlichtung, zur Besiegelung frisch geknüpfter Familienbande und zur Begrüßung neuer Erdenbürger wird es heute überwiegend auf Bestellung für Touristen zelebriert. Doch auch in diesem Kontext ist es mehr als Verkleidung und Schauspiel. Es ist ein Auflebenlassen von jahrtausendealten Traditionen einer Subsistenzgesellschaft, ein Gewahr werden der Unabhängigkeit von modernen Kulturtechniken.
Die Akteure
Auch diesmal stehen Melius Walalua und die Dorfbewohner vom Dani Weiler Osilimo im Mittelpunkt unserer Erzählungen. Wir haben sie in den beiden vorangegangenen Blog-Artikeln bereits ausführlich vorgestellt. Doch diesmal wirst du sie kaum wiedererkennen, denn an diesem Festtag sind ihre Körper bemalt und aufwändig geschmückt.
Im Land der Schweine
Das Baliem-Valley ist, so wird behauptet, das Land der Schweine. Auch im Zeitalter von Plastikkreditkarten sind die wertvollen Haustiere immer noch Zahlungsmittel und als Mitgift für eine Braut ein männliches Statussymbol. Daher werden sie nur zu besonderen Anlässen geschlachtet. Oder, wie in unserem Fall, extra für zahlende Touristen. Das bietet der Dorfgemeinschaft eine willkommene Abwechslung zum Alltagsleben und bringt ein gutes Einkommen.
Blutrache
Nach einem halbstündigen Fußmarsch durch das Grasland durchdringen laute Vogelrufe die Stille. Ein Warnsignal. Wir sind richtig erschrocken, haben den Krieger am nahegelegenen Aussichtsturm nicht gesehen. Wie aus dem Nichts tauchen bewaffnete Männer aus dem Busch auf und beginnen zu kämpfen. Eine Show für Touristen. Aber trotzdem schießt uns Adrenalin ins Blut. Plötzlich sind wir hellwach.
Bei den missionierten Christen gehören solche Kämpfe vergangenen Zeiten an. Früher jedoch konnten bereits kleinste Kontroversen zu tödlichen Auseinandersetzungen führen. In den ‚Münsteraner Studien zur Rechtsvergleichung, Band 62‘ ist über die Praktiken der Blutrache sinngemäß nachzulesen: Die Papua glauben, dass der Geist eines Verstorbenen in der Sippe weiterlebt, womit eine Verpflichtung einhergeht, sich um diesen zu sorgen. Fast jeder Todesfall wird auf Zauberei zurückgeführt. Damit der Geist zur Ruhe kommen kann, ist es die heiligste Pflicht der Lebenden, den Tod des Stammesangehörigen zu rächen. Durch Zauberhandlungen wird versucht, den ‚Mörder‘ zu enttarnen. Dessen Sippe wird dann kurzerhand der Krieg erklärt, was zu einer Kettenreaktion führt, da die Getöteten wieder gerächt werden müssen. Um dieser Gewaltspirale zu entkommen, kann auch Lösegeld in Schweinewährung ausverhandelt werden … womit wir bei einem der Anlässe für ein Schweinekochfest angelangt sind.
Das Schweinekochfest
Bei unserem Eintreffen im Dorf werden wir von den Frauen mit einem Begrüßungsritual willkommen geheißen. Die Eingeborenen stampfen mit ihren nackten Füßen im Rhythmus des Gesangs auf den Lehmboden und verbreiten damit eine festliche Stimmung.
Zu Beginn steht Feuermachen am Programm. Steinzeitlich mit Rattanschnur, Weichholzstück und trockenem Gras. Ein großer Holzstoß wird angezündet und gleich einmal eine allgemeine Rauchpause zur Feier des Anheizerfolges eingelegt.
Danach geht’s richtig los. Eine große Menge an Steinen wird ins Feuer gelegt, die vorhandene Erdgrube von den Resten der letzten Verwendung gesäubert und ein freilaufendes Ferkel eingefangen. Das junge Schwein wird mit Pfeil und Boden aus nächster Nähe durch einen präzisen Schuss ins Herz getötet. Das anschließende Zerteilen erfolgt respektvoll und äußerst geschickt mit einem rasierklingenscharfen Bambusmesser. Alle Teil werden sorgsam verwertet, nichts wird verschwendet. Die Ohren und der Schwanz werden in ein Bambusblatt eingewickelt und für eine spätere rituelle Verwendung in der Männerhütte aufbewahrt. Zwischenzeitlich ist das Feuer abgebrannt, die Steine sind ordentlich heiß. Die Erdgrube wird mit Blättern ausgelegt und mit den Steinen befüllt. Darauf kommen in mehreren Lagen Blätter, Schweineteile, Süßkartoffeln, verschiedenes Gemüse, Pandanuss-Früchte und vor allem korbweise frische Kräuter. Zu guter Letzt verschließen die Dani die Grube mit Steinen und Blättern und lassen das Ganze rund eine Stunde garen. Zwischendurch wird wieder gesungen …
… geraucht, gerastet und bei den Frauen im traditionellen Langhaus geplaudert …
… bis das Warten auf das Essen endlich ein Ende hat. Die Aufteilung der Köstlichkeiten erfolgt nach klaren Regeln. Die Männer bekommen das Fleisch, die Frauen das Gemüse und das Grünzeug. Dabei sitzen sie buchstäblich im Essen. Wenn die Männer satt sind, teilen sie das restliche Fleisch in der Frauengruppe auf. Die Sippe hat offensichtlich Freude am Fest und der Gelegenheit zu Fleischkonsum.
Ethnotourismus?
Im Vergleich zu unserem Photo-Voice-Project sind wir der Dorfgemeinschaft an diesem Tag nicht so nahe. Wir fühlen uns eher als staunende Beobachter am Randes des Geschehens und fragen uns, ob es richtig ist, was wir tun:
- Zerstören wir das, wonach wir suchen, indem wir es finden? Oder tragen wir dazu bei, dass Traditionen erhalten bleiben, vielleicht sogar wiederbelebt werden?
- Werden die Einheimischen zu Selbstdarstellern? Oder bietet der Tourismus hier eine Zukunftsperspektive?
- Ist es egoistisch, sich derartige Lebenserfahrungen als persönliche Bereicherung und zur eigenen Horizonterweiterung zu erkaufen?
- Wie inspirieren wir im Gegenzug die Lebenswelt der Dani?
- Machen die Urvölker mit eine Aktivität wie dem Schweinefest nicht auch die Erfahrung, dass ihre Lebensweise bewundert wird? Macht sie das vielleicht sogar stolz?
Die hier aufgeworfenen Fragen sollen zum Nachdenken anregen und Raum für eigene Interpretationen schaffen. Dass Ethnotourismus nicht immer exotisch sein muss, zeigen wir in unserem Blog-Beitrag Das Alltagsleben der Dani .
Wir finden, dass den Dani der Spagat zwischen Inszenierung und Authentizität sehr gut gelingt. Unser Eindruck ist, dass sie den Tourismus zwar nutzen, ihm aber auch Widerstand entgegensetzen. Etwa mit ihrer Abneigung gegen das Fotografieren, wie in Josefs Essay am Ende des Beitrags Eine Begegnungsreise ins Land der Dani erörtert.
Für uns war es in jedem Fall eine abenteuerliche Reise an einen Ort, an dem die Zeit scheinbar stehen geblieben ist. Es ist faszinierend, Menschen kennenzulernen, die heute noch in der Lage sind, ausschließlich davon zu leben was ihnen die Natur zur Verfügung stellt. Doch auch die Indigenen Neuguineas können sich im Alltag den Herausforderungen des alphabetisierten Digitalzeitalters nicht entziehen. Das birgt in gleichem Maße eine Chance auf Entwicklung wie die Gefahr des Untergangs einer archaischen Kultur …
Wer sich in das Thema weiter vertiefen möchte, kann dies in Josefs Beitrag Zwischen den Welten _ Ethnotourismus in Westneuguinea tun.
Dr. Weiglein Expeditionen & Baliem Valley Resort
Weitere Portraits der Dani findest Du hier > look at me | Papua
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Autoren: Josef und Marlies
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